#8: Die doppelte Überraschung
Auf dem Weg zur Spinnerei passierte wenigstens eine gute Sache. Pawels Kopfschmerztablette zeigte endlich Wirkung. Dummerweise konnte er sich nun um so besser auf die anderen miesen Gefühle konzentrieren. Er wollte es nicht. Sein Kopf tat es trotzdem.
Als Pawel ins Dorf einfuhr, kamen auch schon die Gebäude der Spinnerei in Sichtweite.
,,Wenigstens ein bisschen Kohle krieg ich heute rein“, murmelte Pawel vor sich hin als er in die Seitenstraße zur Einfahrt fuhr.
Links auf den Feldweg, dann rechts durch die Einfahrt. Dort sah er es. Es stand mittig auf dem Hofplatz. Es war groß. Es war blau. Es war ein Auto. Um es zusammen zu fassen, es war ein blauer BMW X5. Wer das bereits bekannte Grinsen hinter der Frontscheibe auf den Lippen hatte, brauche ich wohl nicht mehr zu sagen.
Pawel ging durch die Decke. Woher wusste der das nun schon wieder?! War der Typ nebenbei auch noch Hellseher?! Er war so wütend, dass er die Wut irgendwo rauslassen musste. Doch wo? Aus Verzweiflung prügelte er auf das Lenkrad des Zetor ein. ,,Du... Ich werde...“ Ob es eine gute Idee war das Lenkrad zu verkloppen? Eher nicht. Als Pawel das sechste mal drauf schlug, traf er den Auslöser der Hupe. Er lies los. Doch die Hupe war verklemmt. Er zog kräftig am Auslöser. Der Zetor hupte trotzdem weiter.
Tarek, der mittlerweile ausgestiegen war, fing an sich tot zu lachen: ,,Wow...Hahaha...das ist...haha!“
Es war einfach schrecklich. Pawel begann heftige polnische Schimpfwörter zu benutzen. Dass die Schimpfwörter in Polen sehr hart sind, brauche ich wohl niemandem zu erklären. Er war einfach verzweifelt. Irgendwie war heute alles für den Ar***. Nach weiterem ziehen und schimpfen stieg Pawel aus, öffnete die Motorhaube und klemmte die Hupe schließlich einfach ab. Ruhe. Gut. Nicht ganz. Hinter ihm stand ja noch ein sich kaputt lachender Tarek.
,,Du...“,Pawel musste sich zusammen reißen um Tarek nicht nochmal zu beleidigen. ,,Was willst du jetzt noch. Kann ich nicht mal die blöde Wolle behalten? Woher wusstest du überhaupt, dass ich hierher möchte?!“
,,Glaub mir Pawel. Ich kenne dich besser, als du denkst. Du bist durchschaubar. Ich habe gewusst, dass du die Erzeugnisse noch haben wolltest. Doch: Es sind meine Tiere. Also gehören die Erzeugnisse von ihnen doch auch dazu."
,,Warum möchtest du mich so fertig machen?" Statt einer Antwort bekam Pawel nur noch mehr, was ihn provozierte.
,, Ich habe schon mit der Leiterin der Spinnerei gesprochen. Von dir wird sie bestimmt nichts mehr kaufen. Die hält dich jetzt garantiert für einen Spinner.“
,,Hielt.“
Überrascht sahen Pawel und Tarek nach links. Hinter dem Traktor neben dem Wohnhaus war die Leitung hervor gekommen. Eine schlanke Frau mitte-ende 20 mit feuerroten Haaren. Sie war, soweit Pawel wusste, so ähnlich wie er hierher gekommen. Ihr Name war Patrycja.
,,Jetzt weiß ich es besser. Als hier dieses Dauerhupen war, bin ich raus gekommen und habe euer nettes Gespräch hier mitbekommen. Pawel kaufe ich die Wolle gern ab. Ar***löchern, die unsere Bauern ruinieren wollen, garantiert nicht. Die anderen Wollhändler wohl auch nicht.“
Sie zeigte warnend ihr Handy vor.
,,Aber liebe Patrycja. Pawel wollte do..."
,,Pawel wollte gar nichts. Du willst uns abzocken", unterbrach sie ihn. Pawel begann zu grinsen. Diesmal hatte er das Spiel gewonnen. Tarek hatte eine Niederlage einstecken müssen. Der Tag könnte doch noch eine gute Wendung nehmen.
,,Vielleicht hast du diesmal gesiegt. Aber glaub mir: Das wirst du noch teuer bezahlen.“
Mit diesen Worten stieg Tarek in seinen Wagen und fuhr davon. Er hatte einen Plan. Doch wie der aussah, wusste Pawel noch nicht.