#12: Stürmisch
Pawel inserierte den Transit im Internet. Er fragte sich, ob die Karre vielleicht doch noch irgendwie zu retten war und er ihn mit laufendem Motor verkaufen könnte. Doch der Wagen musste warten. Nach einem schnellen Mittagsimbiss musste Pawel die Fahrzeuge parken und alles, was draußen lag sichern, bevor der vorhergesagte Regen kam. Am Himmel war zwar noch nicht viel zu sehen, aber man konnte ja nie wissen.
Pawel wollte gerade beginnen aufzuräumen, als direkt vor ihm jemand auftauchte. Es war Lara. Mies gelaunt stieg Pawel aus dem Traktor. Seine Stimmung war in einem Rekordtief. Ganz ähnlich, wie die Wetterfront, die bald kommen sollte. Dies war ihm natürlich sofort anzumerken.
,,Ähhmm... Stör ich?“, fragte Lara.
,,Nein nein. Es ist nur... Soll ich es dir bei einem Tässchen Kaffee drinnen erzählen?“
,,Kommt drauf an, wie lange es dauert. Ich will es natürlich sehr gerne wissen, aber du hast denke ich mal von diesem Rekordtief und dem Gewittersturm gehört, oder? Ich dachte ich komm vorbei um zu helfen. Bei was auch immer noch gemacht werden soll.“
,,Ich denke es dauert nicht lang. Komm mit rein.“
Die beiden gingen also ins Haus und Pawel erzählte Lara die ganze Geschichte. Lara war empört über die Dreistigkeit dieses Typen. Pawel war nur wütend und traurig gleichzeitig, dass er so einen Bruder haben musste.
Nach der kleinen Geschichtsstunde, die doch ein wenig länger gedauert hatte als geplant, gingen die beiden nach draußen.
,,Übernimmst du die Maschinen und Geräte? Ich sammel dann den ganzen losen Kram, der hier rumliegt“,meinte Lara.
,,So machen wir´s“,antwortete Pawel. Also machte er sich auf den Weg zu den Maschinen und Geräten. Zuerst klemmte er bei jedem Hänger unter alle Reifen zwei Keile.
Danach parkte er den Zetter und Pflug in der einen, den Wasseranhänger und sonstiges in der anderen Scheune. Mähdrescher und Mähwerke standen bereits. Nur Sähmaschine und Grubber lies er draußen. Damit bereitete er zwei Gespanne für die Aussaht bei besserem Wetter vor. Diese wurden dann auch geparkt.
Als Pawel und Lara sich wieder vor dem Haus trafen, sah der Himmel schon um einiges bedrohlicher aus. Noch nicht schlimm, aber es kam etwas.
,,Jetzt noch die Tiere“,sagten sie beide im Chor, woraufhin sie sich anlächeln mussten. Sie sahen sich ein wenig länger an, als es wohl geplant war.
,, Wir sollten uns nicht anstarren, sondern etwas tun, bevor der Sturm kommt.“
,,Du hast recht Lara.“
Also gingen sie zur Schafweide, wo sie die Tiere in den Stall brachten.
Der Himmel war mittlerweile sehr dunkel und die beiden begannen sich zu beeilen. Es sah aus wie später Abend. In Wahrheit war es erst 15:32 Uhr.
,,Wieso kommt das so plötzlich?“ ,fragte Pawel sich.
,,Komm. Die Hühner noch.“
,,Gut. Dann aber nichts wie rein.“
Sie liefen zu den Hühnern. Ganz merkwürdigerweise wurde Pawels Laune trotz der miesen Erlebnisse des Tages und dem aufkommenden Sturm immer besser. An wem das wohl lag?
Gerade als Lara das letzte Huhn rein gebracht hatte, kamen auch schon die ersten tropfen runter. Es wurde ein wenig doller. Ein Blitz. Dann Donner. Plötzlich schiffte es wie aus Eimern. Okay. Wohl eher wie aus Tanklastern. Lara und Pawel begannen zu rennen.
,,Der Schlüssel... Wo ist der Schlüssel...“ Pawel suchte und suchte. Er fand ihn nicht.
,,Ist das dein Ernst? Willst du, dass ich hier ersaufe?“, scherzte Lara.
,,Nun hör auf zu jammern.“
Schließlich fand Pawel den Schlüssel und die Beiden stürmten rein, wo sie sich bei einem Kaminfeuer ein wenig wärmten. Sie unterhielten sich. Die miese Politik. Auch in Polen. Aber auch Witze und viel lachen. Häufig auch beides verbunden. Politikscherze halt. Satire. So redeten sie noch eine Ganze Zeit lang weiter und was draußen passierte, war vergessen.
Als es bereits später Abend war, schalteten sie dann den Fernseher ein. Die Nachrichten hatten sie leider verpasst. Sie hörten nur noch das Ende. Eigentlich uninteressant. Aber diesmal...
,,...und nun noch die Lottozahlen“, tönte es aus der Anlage, die Pawel von seinem alten Zuhause mitgebracht hatte. Lara hatte einen Lottoschein gekauft. Pawel hatte noch nie etwas davon gehalten, doch man kann ja nie wissen... Also kontrollierten sie: ,,3“ ,sagte die Stimme der Nachrichtensprecherin, ,,12 ,25, 34, 22, 18. Das waren die Lottozahlen. Ich wünsche allen Gewinnern meinen herzlichen...“
Ungläubig starrten beide auf den Lottoschein und wieder auf den Bildschirm. 5 der 6 Zahlen waren doch tatsächlich richtig! 5 Zahlen, das waren 48.000 Zloty!
Die beiden umarmten sich. Anfangs war es eine Freudenumarmung. Dann jedoch wurde die Freudenumarmung immer kräftiger. Es wurde mehr daraus. Der Lottoschein wurde weggelegt und vergessen. Sie sahen sich an. Tief in die Augen. Wie gut sich das doch anfühlte... Dann gab es erste Küsse. Sie umschlungen sich noch fester...
Auf einmal ging es drinnen genauso stürmisch zu wie draußen.